Die Kunstkammer Peters des Großen
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  Präparate
Ruysch und sein Sohn

Eine Spezialität Ruyschs, die ihn in das Zentrum des Barock stellt, waren seine Kompositionen, von denen nur noch Abbildungen im Katalog der Ruysch'schen Kollektion vorhanden sind. 1701 - 1715 wurden die ersten Kataloge von Ruysch unter dem Titel Thesaurus anatomicus primus-decimus veröffentlicht. Skelette wurden in verschiedenste Posen gerichtet und mit verschiedenen Zusätzen drapiert.

RüschenhändchenRüschenhandRuyschs Thesauri waren Schränke, aus einer Schublade und Fächern bestehend. Im Zentrum stand eine 'natura morte', eine Anordnung von Blasen- und Gallensteinen zwischen getrockneten Blutgefäßen von Kälbern. Jeder Schrank hatte seinen eigenen Charakter, jede 'nature morte' hatte eine andere Vanitas-Botschaft. Einmal sind Demokrit und Heraklit, der lachende und der weinende Philosoph dargestellt, ein anderes Mal die Musik, als zeithafte, der Vergänglichkeit preisgegebene Kunst, und immer sind die Arrangements mit Sprüchen versehen. Die Montage der Feuchtpräparate in der neuen Aufstellung war barocker. Die Kinderhändchen konnten "so nett und natürlich etwas festhalten". Die Beinchen treten auf Präparate, weil es einen schädlichen oder verwerflichen Charakter besaß. Typisch für den Barock-Stil sind die sogenannten 'Doppeldecker' Ruyschs: Die Phiolen waren mit einem roten Tuch bedeckt, auf das ein Stillleben aus Tieren und Kräutern montiert war. Die Anordnung war nach wie vor allegorisch statt systematisch. In medizinischer Hinsicht interessierte sich Ruysch vor allem für die Gefäßstrukturen der Organe in der menschlichen, tierischen und pflanzlichen Natur.

KatalogeDie Kataloge Thesaurus anatomicus primus-decimus waren allerdings nicht die ersten, denn es gab bereits 1691 einen begleitenden lateinischen Katalog zum Ersten Anatomischen Kabinett. Das Bild rechts stellt allegorisch die Vergänglichkeit mit Demokrit und Heraklit dar. Demokrit, so Ruysch, steht da mit einer Sichel in der Hand und lacht über das Leben, ausrufend: "Weil man im Leben soviel Elend erleiden muss, triumphiere ich freudvoll, ohne Stimme, da ich durch den Tod von ihr befreit bin." Heraklit schluchzt in ein Taschentuch, aus menschlichem mesenterium verfertigt, einem dünnen Häutchen, an dem der Darm befestigt ist. Ruysch trocknete es, nachdem er die kleinen Blutgefäße mit rotem Wachs eingespritzt hatte. Heraklit ruft aus: "Wir, dieses süßen Lebens beraubt und von den Brüsten weggerissen, sind durch den grausamen Tod fortgenommen und ins düstere Grab gelegt worden." Fromm vermeldet Ruysch in seinem Katalog, dass ihn das Taschentuch des Heraklit an Psalm 139 erinnere: "Ihr habt mich erschaffen wie eine Stickerei im Mutterschoß."

Eine besondere Bemerkung verdienen noch die Ruysch'schen Mumien, die seinerzeit zu den beeindruckendsten Schaffungen Ruyschs gezählt wurden. Noch nach seinem Tod bevölkerten seine Mumien die populäre Fantasie, weil sie doch noch so viel Leben in sich zu haben schienen. Und nicht nur das Volk, auch die Poeten waren tief von diesen Scheintoten beeindruckt. Giacomo Leopardi wurde durch die legendären Aktivitäten Ruyschs zu seinem "Dialogo di Frederico Ruysch e delle sue mummie" inspiriert, ein Teil seiner "Operette morali", erschienen 1827 zu Mailand. Es ist die Angst vor dem Tod, welche mit Hamlets Worten "does make cowards of us all", die Ruysch mit seinen Mumien den Menschen zumindest ansatzweise nahm. Leopardis Dialogo wiederum inspirierte den Musiker Gofreddo Petrassi zu dem Stück "Coro di morti", welches 1940-41 entstand und auch später als Ballett aufgeführt wurde.

Rüschenhändchen
Verschiedene
Komposition
Rüschenkopf

© 2000 Markus Schöpf