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Die Kunstkammer Peters des Großen |
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Geschichte der Sammlung |
Frederik Ruysch (1638-1731)
hatte zu diesem Zeitpunkt schon eine erhebliche Kollektion anatomischer
Präparate angelegt. Er zählt auch heute noch zu den Meistern
der anatomischen Präparierkunst. In Leiden studierte er nach absolvierter
Apothekersausbildung in dem anatomischen Laboratorium Johannes van Hornes
diese Kunst. Von dessen Freund Jan Swammerdam inspiriert experimentierte
er mit der Injektion verschiedener Flüssigkeiten in die Blutgefässe.
Schnell erlangte Ruysch einen Namen mit seiner Methode, da seine Präparate
sehr detailgenau waren. Doch nicht nur menschliche Präparate waren
für Ruysch interessant: Mit "kleinen Helfern", wie er die
Raupen nannte, legte er die Feinstruktur von Blättern frei. Seine
Ergebnisse bewahrte Ruysch in seinem Hause auf. Die Nasspräparate
waren in eine Alkohollösung (75-80%), der Extrakt des schwarzen Pfeffers
hinzugegeben wurde, eingelegt. Nicht nur im Bereich der allgemeinen und
pathologischen Anatomie vollbrachte Ruysch Sensationelles, auch das Einbalsamieren
von Kinderkörpern beherrschte er in Perfektion. Ruyschs Kabinett
galt unter den Zeitgenossen als achtes Weltwunder. Zweimal in der Woche öffnete Ruysch
sein Haus dem Publikum, welches gegen ein Entgelt die Präparate besichtigen
konnte. Und nicht nur das gemeine Volk kam, um zu sehen, sondern auch
Diplomaten und Berühmtheiten. Auf Blatt 30 des Besucherbuches findet
sich die Eintragung von Peter dem Großen. Peter war stark beeindruckt
von der Kollektion, eines der mumifizierten Kinder küsste er, weil
er dachte, es sei lebendig. Es war nicht der einzige Besuch Peters bei
Ruysch, denn öfters kam Peter zu ihm, um die Sammlung zu betrachten
und anatomische Stunden bei Ruysch zu nehmen. Ruysch hatte bereits bei
diesem Besuch mit dem Verkauf der Sammlung gerechnet. Als diese Transaktion
scheiterte, begann er mit der Umgestaltung der Sammlung. "Das Erste Anatomische
Kabinett" umfasste fast ausschließlich Trockenpräparate, darunter
vor allem menschliche Skelette von Föten und Neugeborenen. (Die große
Zahl stand Ruysch nicht zuletzt deshalb zur Verfügung, weil in Amsterdam
schon im 18. Jahrhundert Abtreibungen ohne große Schwierigkeiten
möglich waren). Die Aufstellung im ersten anatomischen Kabinett war
weniger systematisch als moralisch-ästhetisch, geleitet vom Vanitas-Gedanken,
nach dem Vorbild des anatomischen Theaters in Leiden. Ab 1700 legte Ruysch
seine Sammlung in zehn Thesauri an und veröffentlichte zehn Kataloge,
die als "Führer" durch sein Naturalienkabinett verwendet werden konnten. In Leiden traf Peter der Große auch mit Leeuwenhoek zusammen, von dem er ein Mikroskop erstand, welches sich noch in der Kunstkammer befindet. Es war die Neugierde Peters, die ihn alles selbst sehen lassen wollte, selbst ausprobieren lassen wollte, selbst erfahren lassen wollte. 1718 gelangte dann Peter schliesslich nach zähen Verhandlungen seines Beauftragten Robert Areskin in den Besitz der Sammlung, für die stolze Summe von 30.000 Gulden. Eigentlich wollte Peter auch das Geheimnis Ruyschs erstehen, wie er die Präparate angefertigt hatte, doch Ruysch verlangte dafür 50.000 Gulden, seinen Unwillen damit ausdrückend. Mehr als zwei Dutzend embryologische und anatomische Präparate, Säugetiere, Reptilien und Insekten, Vögel - trocken konserviert -, zwei Kästen mit Herbaria - fast alles aus dem ersten Thesauri von Ruysch wurde nach Petersburg verkauft. Nach dem Verkauf der Sammlung stellte Ruysch weiterhin Präparate her, in der Hoffnung, dass Peter ihm auch diese Sammlung abkaufen möge. Der frühe Tod Peters verhinderte dies allerdings. 1724 veröffentlichte er die neue Sammlung in einem weiteren Thesauri. Ruysch stirbt schließlich 1731, seine Präparate blieben nicht geschlossen erhalten. Eine seiner Sammlungen wurde nach seinem Tod versteigert und vom polnischen König Stanislaw erworben, der sie als königliches Geschenk der Universität Wittenberg, seit 1815 mit der Universtität Halle vereinigt, übergab. Ob sich dort noch Reste der Sammlung finden lassen, ist allerdings bis heute ungeklärt. Was blieb von der Ruysch'schen Sammlung in Petersburg erhalten? Bis 1747 alles. Dann brach ein Feuer in Kunstkammer aus, unter welchem ein Großteil der Präparate Schaden erlitt. Der zoologische Teil der Ruysch'schen Sammlung wurde zerstört.
V. V. Ginzburg, Professor der Anatomie, untersuchte 1947 die Sammlung Ruysch. Auch er stellte eine Inventarliste zusammen, welche 935 Nummern umfasste, ausgenommen die fehlgebildeten Tiere. Im Laufe der zweihundertjährigen Geschichte sind also mehr als die Hälfte der Präparate Ruyschs verlorengegangen. Die Zeit ist an der Ruysch'schen Sammlung nicht unbemerkt vorbeigegangen. Wie die Sammlung früher ausgesehen hat, ist trotz des guten Zustands der Präparate nur zu erahnen. Der Eindruck, den die einbalsamierten Körper Ruyschs auf die Zeitgenossen machten, ist Vergangenheit. Die Mumien Ruyschs, die Peter den Grossen noch zum Küssen anregten, sind heute braungefärbt. |
© 2000 Markus Schnöpf